Was ist heute Demokratie?

Acampada, Barcelona, 26/05/1011
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Eine neue Form der direkten Demokratie praktizieren auch die "Empörten" in Barcelona: Die erhobenen Hände signalisieren im Plenum Zustimmung

Politik ist zu einer Sache der Form verkommen: Doch mehr Partizipation schafft den Front National nicht aus der Welt, mehr Transparenz entmachtet Orbán nicht. Eigentlich geht es um Macht, Werte und die Suche nach Alternativen. Ein Streifzug durch den europäischen Demokratie-Diskurs.

Selten ist so viel über Demokratie geschrieben worden wie in den letzten Jahren: Die Legitimität nationaler liberaler Demokratien europäischen Stils ist ins Gerede gekommen, die "Brüsseler" Demokratie ist, bedingt durch die Eurokrise, extrem unter Beschuss geraten. Das sogenannte governance system der EU, genauer des Euro, kracht derzeit sprichwörtlich zusammen wie ein Kartenhaus.

Literaturberge der letzten Generation EU-Forschung, die sich meistens auf euro-governance-Fragen, multi-level democracy oder Regulierungstatbestände konzentriert haben, verschmelzen zu einer teigigen Masse, mit der offensichtlich nicht mehr angemessen beschrieben werden kann, woher jenes europäische Demokratieversagen kommt – national und europäisch – und worin die allgemein empfundene malaise politque begründet liegt, die hinter dem Aufkommen populistischer Strömungen steht, das überall in Europa zu beobachten ist.

Im Folgenden kann dieses Thema natürlich nicht erschöpfend behandelt werden, zumal die neue demokratietheoretische (oder besser: demokratiekritische) Literatur mit jedem Tag anschwillt. Es kann hier also nur darum gehen, ein paar impressionistische Tupfer auf den gegenwärtigen europäischen Demokratie-Diskurs zu setzen. Die zentrale Ausgangsthese dabei ist, dass wir uns mit Blick auf die (europäischen) Demokratie(n) in einem "begrifflichen Babel", einer Begriffsverwirrung befinden. Uns entschwinden die Worte, die Begriffe, uns entschwinden die konzeptionelle Klarheit, die normativen Konzepte, um zu erfassen, was vor sich geht. Anders formuliert: Begriffe wie liberal, Demokratie, autoritär oder Legitimität sind relativ und mithin beliebig geworden, ihre begrifflichen Konturen weichen auf und verwischen sich.

Politik in Zeiten der begrifflichen Beliebigkeit

Zurecht weist Georg Simmerl in einer post-strukturalistischen Analyse des Begriffes von Autorität darauf hin, dass 'legitim' bis dato eine Vokabel war, die Demokratien – in Gegensatz zu autoritären Regimen – charakterisiert hat, während autoritäre Regime by definition illegitim waren. Wenn freie und demokratische Wahlen in einem Mehrparteiensystem das entscheidende Kriterium für Legitimität sind, dann ist es formaliter durchaus legitim, wenn Bürger über einen permissiven Akt (also einer Wahl) einem autoritären Politiker ihre Souveränität übertragen, also de facto einen temporär gedachten Akt der politischen Unterwerfung tätigen. Dies stellt eine Art Gesellschaftsvertrag dar, der – sofern er nicht machtpolitisch missbraucht wird – theoretisch auch rückgängig zu machen ist. Ähnlich formal beschreibt John Keane in 'Life and Death of Democracy', dass die Tatsache, dass analphabetische Frauen unter dem Bild von Karzai einen Fingerabdruck machen, noch keine Demokratie in Afghanistan bedeutet. Dies gilt im Übrigen für alle in westlichen Augen nicht demokratische oder eben religiöse Parteien, zum Beispiel in in Nordafrika (Ägypten), die über demokratische Wahlen an die Macht kommen. Das normative Konzept von democracy-promotion ist gescheitert.

Insofern: was ist heute liberal, was ist Demokratie, was ist legitim? Ist Putin legitim, auch wenn er in westlichen Augen autoritär ist? Umgekehrt: Ist Victor Orbán in Ungarn demokratisch, nur weil er mit Mehrheit gewählt wurde. Wieso gilt sein faktisch und gefühlt autoritäres Regime in Ungarn eigentlich heute formaliter als demokratisch, so dass sich offiziell noch nicht einmal die EU dagegen wehrt oder irgendwelche Maßnahmen ergreift? Ist die Annexion der Krim legitim, nur weil faktisch niemand etwas dagegen unternimmt (außer juristisch-legalistischen Bemühungen auf UN-Ebene)?

Ist Marine Le Pen eine Populistin und damit pathologisch, nur weil sie berechtigte Kritik an der derzeitigen Euro-governance geltend macht und argumentiert, dass diese für Frankreich schädlich ist? Als Populist darf eigentlich a priori niemand bezeichnet werden, nur weil er mit der derzeitigen europäischen Politik nicht konform geht oder weil seine Meinung nicht der herrschenden Meinung der europäischen Eliten entspricht.  Das trifft gleichermaßen auf Syriza, den Front National oder Fidesz in Ungarn zu. Wo die Politik – siehe Euro-governance - keine oder kaum Reversibilität von Entscheidungen und Opposition zulässt, ist eine anti-System-Haltung die einzige Option.

Darum sind diese Demokratieprobleme nicht zu lösen mit mehr Transparenz, mehr Partizipation oder mehr Konfliktlösung, eben jenen Begriffen, auf die sich der augenblickliche europäische Diskurs eingeschossen hat. Man könnte auch sagen, er hat sich festgefahren. Mehr Partizipation schafft Marine Le Pen nicht aus der Welt, mehr Transparenz entmachtet Orbán nicht, mehr 'Konfliktlösung' hilft der Ukraine nicht weiter. Denn es geht eigentlich um Macht und Werte, um Souveränität und Emanzipation, um soziale Gleichheit und Alternativen. Mit nur formalen Demokratieangeboten ist das alles nicht zu erbringen, wenn das politische System in Europa – und darüber hinaus - seine funktionalen Versprechen nicht einhält.

Wider die liberale Bequemlichkeit

Eine "Transparenz-Hysterie", nennt das der koreanische Philosoph Byung-Chul Han – an deren Ende indes nicht mehr Transparenz, sondern mehr Kontrolle steht. Oder um  das enfant terrible und gleichzeitig den neuen Hoffnungsträger einer fundierten Liberalismus-Kritik, Jean-Claude Michéa, zu zitieren (alles Gute kommt auf einmal doch wieder aus Frankreich), der sich an der zeitgenössischen Beliebigkeit der ‚liberalen Demokratie’ abarbeitet:

"Die Fähigkeit, seiner jeweiligen Gemeinschaft unter bestimmten Umständen das eigene Leben zu opfern, (galt) von jeher als höchste Tugend traditioneller Gesellschaften, die den persönlichen Beziehungen von Scham und Ehre einen bevorzugten Platz einräumten." Indes, "Das Ziel der Moderne ist die Sicherheit in den privaten Genüssen, und Freiheit nennen sie den gesetzlichen Schutz dieser Genüsse. Besser kann man nicht zum Ausdruck bringen, dass die künftig von den Liberalen zelebrierte Freiheit zunächst einmal nur ein anderer Name für ein ruhiges (und wenn möglich angenehmes) Leben sowie für das Streben nach einem wohlverdienten geschichtlichen Ausruhen ist."

Unsere heutige vermeintlich liberale Maxime kaschiert eigentlich unsere Bequemlichkeit und das ist das größte Problem der europäischen Demokratie. Das passt gleichermaßen auf die Flüchtlingsdiskussion wie die europäische Außenpolitik.

Wenn bei einer (hier einmal angenommenen) Zuspitzung des Ukraine-Konfliktes vielleicht demnächst die Frage aufkommt: Mourir pour Kiev?, wie wird die europäische Demokratie darauf reagieren? Auf die 1939 von dem französischen Politiker Marcel Déat – Pazifist, Sozialist und später während der deutschen Besatzung Kollaboratur  - analog gestellte Frage 'Mourir pour Danzig' wurde damals mit 'Nein' beantwortet. Es war der Anfang vom Ende. Soll heißen, wenn 'friedliche Konfliktlösung' absolut gesetzt wird, hat Europa schon verloren.

Nicht umsonst wurde in allen Parteiprogrammen früher auf die Symbiose von Frieden und Freiheit rekurriert, die untrennbar zusammengehören: 'friedlich' im Sinne von 'Abwesenheit von Krieg' war auch die ehemalige DDR. Die Tatsache, dass wir heute nur noch von 'Konflikten' reden (siehe Ukraine) und nicht mehr von 'Krieg' belegt, dass wir jede normative Unterfütterung von Krieg als gerechter Abwehr (von Freiheitsbedrohung) gegenüber einem ungerechten, interessensbezogenem Angriffskrieg und damit unsere ethische Urteilsfähigkeit verloren haben. Die Grünen haben diese Debatte schon einmal Ende der 90er Jahre geführt, als Joschka Fischer den Satz "nie wieder Krieg" mit "nie wieder Ausschwitz" verband und der Partei damit den Pazifismus austrieb.

Schluss mit alternativlos

Genau dazu passt, was man derzeit als Gegenreaktion auf den Post-Strukturalismus verstehen könnte. Gegen die jahrzehntelange Strömung der Dekonstruktion von Begriffen – im Zuge derer zum Beispiel aus Government eine governance wurde, wobei 'governance ownership for everybody and responsibility for none' ist – kommt heute vor allem ein Begriff in den Diskurs zurück, und zwar der der Macht, gepaart mit dem der Werte, vor allem dem Wert des Sozialen an sich als Antipode zu einer als alternativlos gesetzten Ökonomisierung der Welt. Laut  Chantal Mouffe geht es um die Wiederkehr und die Wiederentdeckung des Politischen selbst. Nach der Entkernung von Begriffen und der Aushöhlung des Politischen kann man derzeit eine Rückkehr des Normativen beobachten.

Die Generationendynamik in der Debatte ist ein wichtiger Faktor. Chantal Mouffe erlebt mit ihren radikalpolitischen Thesen eine Renaissance – besonders bei jüngeren Lesern. Sie führt im 'Empire-Diskurs' gegen Michael Hardt und Antonio Negri ins Feld, dass das 'hegemoniale Empire' (gemeint ist die "neo-liberale Weltordnung" und das globalisierte Marktsystem, in dessen "Klauen" die liberalen Demokratien geraten sind) sich nicht von selber auflösen wird, sondern dass man einen ausdauernden und gezielten "Stellungskrieg" gegen alle "Knotenpunkte" dieses System führen muss.

Eine (linke) Gegenmacht müsse "politisch gebündelt" werden, um jenseits von Demonstrationen der multitude von Negri & Heldt, die Mouffe als unpolitisch ("Exodus") bezeichnet, eine Alternative zum bestehenden System aufzubauen. Aber wer will schon gegen die EZB in Stellung gehen? Wäre es nicht besser, wenn die EZB einfach eine gute Geldpolitik machen würde? Hier müsste man, so Platz wäre, natürlich ausdifferenzieren, denn natürlich macht die EZB derzeit prinzipiell eine gute Geldpolitik, die sehr systemstabilisierend und mithin als solches gut ist.Aber macht sie eine "gute Geldpolitik" für die deutschen Sparer? Die griechische Schuldenproblematik? Die deutschen oder französischen Banken? Die portugiesischen Bürger?

Mouffe wendet sich jedoch von Jürgen Habermas und seiner kosmopolitisch postnationalen Weltordnung und Europa als Avantgarde derselben ab, weil sie das Konzept für eurozentrisch hält. Was dazu führte, dass sich Tobias Dörr wiederum vor kurzem im IPG-Journal der FES gegen den "völkischen Populismus" von Chantal Mouffe wendete, Doch er scheint sie dabei aber offensichtlich missverstanden zu haben, denn Mouffe geht es um eine "pluralistische Weltordnung", um regionale hegemoniale Pole, genauer: um eine "Pluralisierung" von Hegemonie. Mouffe ist nicht 'völkisch'; de facto will Mouffe wieder eine Art Systemwettbewerb gegen den post-modernen Trend des Multilateralismus.

In diesem Zusammenhang ist es interessant zu beobachten, wie die Dialektik - die 'alternativlose' Welt braucht eine Antipode, Francis Fukuyama hatte Unrecht, der Kapitalismus ist nicht Systemsieger - in intellektuellen Gazetten heute fröhlich Urstand feiert. Nie war Marx so lebendig wie heute und Thomas Piketty ist damit nicht einmal gemeint: Benjamin Kunkel erinnert uns sanft daran, dass Kapitalismus pragmatisch sein mag, sein größtes Problem ist es indes, dass er gerade keine Ideologie ist, fehlt ihm doch jede normative Unterfütterung. Nur weil er funktioniert, macht ihn das noch nicht gut. Wenn sie die Idee der Potenzialität verleugnet, sagte Adorno, verleugnet die Dialektik sich selbst, anders formuliert: das Recht auf Utopie ist ein Menschenrecht.

Selten galt das wohl so sehr für Europa wie heute. Das Populismus-Problem von heute ist nämlich genau das: Marine Le Pen hat sicher nicht die besseren politischen Lösungen zu bieten, aber die bessere Erzählung, die schönere Nostalgie von Frankreich, wie es einst war, die schönere Utopie einer anderen République! Brüsseler Euro-Pragmatismus kann dagegen nicht gewinnen. Für Putin gilt das idem, weswegen story-telling – eben die Beherrschung der Medien in Russland – so entscheidend geworden ist, während sich Deutschland umgekehrt mit dem Begriff der 'Lügenpresse' herumschlägt: was offiziell erzählt wird und – vermeintlich – gut und alternativlos sein soll, wird nicht mehr geglaubt.

Form follows Function

Theoretisch – und die Theorie ist wieder auf dem Vormarsch und wird gerade allerorten wieder aus der Mottenkiste der Verlage geholt - kommt das gleichsam einer Entmachtung von Niklas Luhmann und seiner Systemtheorie gleich. Es geht – passend zur Rückkehr des Politischen  - um deren Politisierung: "Die alte Entgegensetzung zwischen Kritik (Kritischer Theorie) und Affirmation (Systemtheorie) weicht der Frage, welche Rolle Kritik eigentlich gesellschaftlich spielen kann und soll", schreibt Nicklas Baschek in einem brillanten Artikel, in dem er den (Foucault'schen) Begriff der Kontingenz, nämlich dass immer auch eine andere Ordnung vorstellbar und die Geschichte kein deterministischer Gang ist, zum "archimedischen Punkt der Kritik" erklärt.

Es geht um die Emergenz einer kritischen Systemtheorie, den Willen, beides zu machen: Kritik und Systemtheorie. Darüber hinaus geht es um die normative Bindung von Institutionen, damit diese wieder dem ästhetischen Grundsatz 'form follows function' entsprechen. Die Idee sozialer Transformation muss Institutionen vorangestellt werden – was sie zum Beispiel aktuell bei der "Grexit"-Debatte nicht ist. Empirische Studien belegen inzwischen eine eindeutige Korrelation zwischen Armut und Wahlbeteiligung, auch in Deutschland.die formale Partizipation bei Wahlen bietet keine reale Politikalternative und damit Hoffnung auf eine mögliche Verbesserung des eigenen Lebens, weswegen die Leute erst gar nicht wählen gehen. Die Politik ist nicht mehr funktional.

Letztlich geht es darum, der Entkernung, der Aushöhlung von funktionaler Demokratie entgegenzuwirken. Der entscheidende Punkt ist, dass Demokratie zu einer Formalität verkommen ist. Insofern geht es nicht nur um die Rückkehr von Macht (siehe Mouffe oben), sondern auch um die Rückkehr von Gestaltungsmacht als Reaktion auf die von Colin Crouch beschriebene Post-Demokratie, deren feature – siehe Griechenland-Krise - ist: "You can always vote, but you have no choice." Das insbesondere die europäische Demokratie in post-demokratische Verhältnisse abgeglitten ist, ist heute de facto herrschende Meinung in den Politik- und Sozialwissenschaften.

In seinem Buch "The society of equals" bringt Pierre Rosanvallon das auf den Punkt: "We thought, democracy is about participation, but actually it is about euality", und erinnert an den Grundsatz der französischen Revolution: liberté, égalité, fraternité. Freiheit ist nur mit Gleichheit zusammen denkbar. Wenn formale Demokratie angeboten, die soziale Frage aber nicht gelöst beziehungsweise das Gleichheitsversprechen der Gesellschaft nicht – wenigstens bis zu einem bestimmten Grad – eingelöst wird, dann hat das demokratische System versagt, weil es seine Funktion nicht mehr erfüllt. Mehr als um Partizipation geht es bei der Demokratie um die Erhaltung sozialer Körper. Dazu passt die Renaissance republikanischen Denkens, das augenblicklich überall in der politikwissenschaftlichen Debatte zu beobachten ist, und in der der Begriff des Gemeinwohls derzeit neu besetzt und reflektiert wird.

Kaum Gehör für Macht und Hierarchie

Die sogenannten Populisten haben indes besser erkannt, dass Macht bis hin zu Autorität  in Kombination mit griffigen Erzählungen besser funktioniert, als formale Partizipationsangebote und Pragmatismus. In gewisser Hinsicht sind die 'Populisten' noch analog, sie gründen Parteien, die im europäischen politischen System funktionieren. Hier ist die zweite aktuelle Schieflage der europäischen Demokratie zu finden. Diejenigen, meist jüngeren, Leute, - Generationendynamik in der aktuellen Demokratiedebatte ist unübersehbar - die an alternativen Politikkonzepten arbeiten, die eine andere Weltordnung einfordern, die die kritischen Debattenforen in Europa bevölkern, sind heute, bedingt durch das Internet, meistens jung, digital, vernetzt, post-party und no-hiercharchy.

Sie bekommen keine Interessenbündelung mehr hin. Asymmetrische Strukturen, wie etwa Partei und Führung, Macht und Hierarchie werden nicht mehr akzeptiert. Damit können sie sich unter gegebenen institutionellen Bedingungen nicht durchsetzen und bekommen kaum Gehör. Ein Installationskünstler hat letztens eine kleine art-performance gemacht und auf verschiedenen Videos folgendes dokumentiert: Fünf Personen sollten an einer Töpferscheibe zusammen eine Schüssel formen. Es geht nicht. Nur mit Partizipation kommt man nicht weiter, wenn man mit kritischen Augen die Kontingenz der Geschichte gestalten will. Man braucht normativ gebundene Macht.

Die derzeitige europäische Demokratiekrise ist mithin ein politisches System- und Elitenversagen: das republikanische und für jedes Gemeinwesen konstitutive Urversprechen wurde durch fehlverstandenen Liberalismus nicht gehalten und die Reaktion der Bürger darauf ist eigentlich gesunder Menschenverstand. Was wir derzeit – von Mazedonien bis Bulgarien, und von Griechenland  über Spanien bis hin zu Frankreich – in Europa erleben, ist eine gesellschaftliche Emanzipation von politischen Institutionen, die sich verselbständigt haben. Die Gefahr indes ist: wenn die europäische Demokratie und ihre Institutionen diese emanzipatorische Bewegung verschlafen bzw. nicht darauf reagieren und ihr keine Wirkungsmacht konzedieren, schnappen sich die Populisten den Emanzipationsdrang!

Dieses Papier ist nur ein kurzer Streifzug und mithin notwendigerweise oberflächlich, verkürzt und undifferenziert -andererseits bewusst provokativ geschrieben. Die Literaturhinweise dienen der Vertiefung der Debatte und der Thesen, die hoffentlich beim Fachgespräch der Böll-Stiftung am 19. Juni 2015 geführt und strittig gestellt werden können, mit dem Ziel, eine angeregte und hoffentlich kontroverse Debatte zu ermöglichen.

 

Dieser Beitrag ist im Vorfeld zur 16. Außenpolitischen Jahrestagung der Heinrich-Böll-Stiftung vom 18. und 19. Juni 2015 entstanden. Informationen zu der Konferenz und weitere Artikel zum Thema, finden Sie in unserem Konferenzdossier.

 

Weiterführende Literatur:

  • Georg Simmerl und Friederike M. Reinhold, A Post-Structuralist Reading of Authority: Developing a concept fort he Study of Global (Dis-)Order, EPCR Graduate Conference, Bremen, 4.-6.7.2012
  • John Keane, Life and Death of Democracy, London 2009
  • Jan-Werner Müller, Zu einer politischen Theorie des Populismus, in: Transit. Europäische Revue, Transit 44 (Herbst 2013), Zukunft der Demokratie, S. 62-71, S. 69
  • Jean-Claude Michéa: Das Reich des kleineren Übels: über die liberale Gesellschaft, Berlin (Matthes & Seitz), 2014; Eric Desmons, Mourir pour la patrie? Paris 2001
  • Robert Pfaller: Wofür es sich zu Leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie, Frankfurt: S. Fischer, 2011
  • Chantal Mouffe, Über das Politische. Wider die kosmopolitische Illusion, Suhrkamp 2007
  • Michael Hardt und Antonio Negri, Empire. Die neue Weltordnung, Frankfurt/ Main, Campus 2002
  • Chantal Mouffe, Exodus und Stellungskrieg. Die Zukunft radikaler Politik, Wien 2009
  • Francis Fukuyama: Das Ende der Geschichte, 1992
  • Thomas Piketty, Capital in the 21st Century, Harvard 2014
  • Benjamim Kunkel: Utopie oder Untergang: ein Wegweiser für die augenblickliche Krise, Berlin, Suhrkamp, 2014
  • Ulrike Guérot, Marine Le Pen und die Metamorphose der französischen Republik, in: Leviathan, Hat. 2/2015
  • Phillip Felsch, Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte 1960-1990, München C.H. Beck, 2015
  • Nicklas Baschek, „Engagement ist Mangel an Talent“. Zur Entkernung der Kritik in der kritischen Systemtheorie und dem Postfundamentalismus, in: Leviathan: 4/2014, S. 494-607, S. 495
  • Colin Crouch, Post-Demokratie, Berlin: Suhrkamp 2008
  • Claus Offe, Europe entrapped, Polity Press 2014; Hauke Brunkhorst, Das doppelte Gesicht Europas. Zwischen Kapitalismus und Demokratie, Berlin: Suhrkamp 2014.
  • Pierre Rosanvallon, The society of Equals, Harvard University Press 2013.
  • Karsten Nowrot, Das Republikprinzip in der Rechtsordnungengemeinschaft. Methodische Annäherungen an die Normalität eines Verfassungsprinzips. Jus Publicum 237. Tübingen: Mohr Siebeck, 2014
  • Samantha Besson, Martí, José Luis 2009. »Law and republicanism. Mapping the issues«, in Legal republicanism. National and international perspectives, hrsg. v. Besson, Samantha; Martí, José Luis, S. 3-36. Oxford: Oxford University Press
  • Thorsten Thiel, Republikanismus und die Europäische Union. Eine Neubestimmung des Diskurses um die Legitimität europäischen Regierens. Baden-Baden: Nomos, 2012
  • Armin Nassehi, Die letzte Stunde der Wahrheit, Hamburg: Murman 2015.